Der Tagesbedarf an Protein für Erwachsene (definiert als „safe intake level“ bzw. sicheres Zufuhrniveau) beträgt laut WHO 0,83 g/ kg/ Tag. Aber wie sieht es mit einer sicheren Obergrenze aus? Schadet zu viel Protein der Gesundheit? Und wie viel Protein ist „zu viel“?
Laut WHO ist der aktuelle Wissensstand über die Beziehung zwischen der Proteinzufuhr und der Gesundheit unzureichend, um klare Empfehlungen über die optimale Aufnahme für die langfristige Gesundheit oder eine sichere Obergrenze zu definieren.
Und obwohl keine sichere Obergrenze festgestellt wurde ist es unwahrscheinlich, dass die Einnahme der doppelten sicheren Zufuhrmenge an Protein (≙ 1,7 g/ kg/ Tag) mit irgendeinem Risiko verbunden ist – insbesondere bei körperlich aktiven Personen, die eine durchschnittliche Mischkost verzehren und eine gesunde Lebensweise an den Tag legen.
Klar sei auch, dass es eine Obergrenze für den Proteingehalt in der Nahrung gibt, die individuell anhand des sog. „Kaninchenhungers“ mit Symptomen wie Übelkeit und Durchfall erkennbar ist, wobei jedoch nicht identifiziert wurde, wo genau diese Grenze liegt. Viele Personen würden Proteinmengen in Höhe des drei- oder vierfachen der empfohlenen Tagesdosis, vielleicht über relativ lange Zeiträume, aufnehmen ohne (vermutlich) solche Symptome zu zeigen. Während keine spezifischen Beweise für einen Schaden identifiziert werden können, kann auch nicht versichert werden, dass solche Zufuhrmengen risikolos sind. In Anbetracht des Mangels an Beweisen in Bezug auf Vorteile hinsichtlich der sportlichen Leistung oder der Figur, könnte es vernünftig sein, solche Proteinmengen zu vermeiden. Bei all denjenigen, die sehr hohen Einnahmen von 3-4 mal der sicheren Zufuhrmenge erwägen (≙ 2,5-3,3 g/ kg/ Tag), ist daher Vorsicht geboten, da sich diese Einnahmender tolerierbaren Obergrenze nähern und nicht als risikofrei vorausgesetzt werden können.
Protein ist der am meisten sättigende Makronährstoff. Nahrungsergänzungsmittel (wie z.B. Proteinpulver) können daher zu einer suboptimalen Zufuhr an stärkehaltigen Nahrungsmitteln führen, die für die Leistungsfähigkeit und langfristige Gesundheit wesentlich sind, aber auch zu einer unzureichenden Zufuhr an Basen aus Obst und Gemüse, um die proteinabgeleitete Säurebelastung mit nachteiligen Effekten auf die Knochen zu puffern.1
Inhalt
Wie viel Protein ist „zu viel“?
Laut einem Review aus dem Jahre 2006 kann ein übermäßiger Proteingehalt in der Größenordnung von 200 bis 400 g am Tag – der bei einem Körpergewicht von 70 kg einer Proteinzufuhr von bis über 5 g/ kg/ Tag entspricht – die Kapazität der Leber, überschüssigen Stickstoff in Harnstoff umzuwandeln, überstiegen. Gefahren von übermäßig viel Protein, definiert als Proteinzufuhr > 35% der Gesamtenergiezufuhr, sind Hyperaminoacidämie (vermehrtes Vorkommen von einer oder mehreren Aminosäuren im Blut), Hyperammonämie (krankhaft erhöhter Ammoniumgehalt im Blut), Hyperinsulinämie (hohe Konzentration von Insulin im Blut), Übelkeit, Durchfall und sogar Tod.
Die Obergrenze für die Proteinzufuhr wird breit diskutiert, wobei viele Experten Zufuhrmengen bis 2 g/ kg/ Tag als sicher bewerten und diese Mengen bei Personen mit gesunden Nieren kein Problem darstellen. Basierend auf den begrenzten verfügbaren Beweisen würden die Autoren spekulieren, dass eine Proteinzufuhr von 25 Prozent des Gesamtenergiebedarfs ein sicheres und tragfähiges Niveau für die breite Öffentlichkeit und Sportler darstellt, um sowohl die Gewichtskontrolle zu unterstützen, als auch die schlanke Körpermasse zu fördern bzw. zu verbessern.
Jedoch müsse man auch stets den Energiegehalt der Ernährung und das individuelle Körpergewicht berücksichtigen. Bei einer hohen Gesamtkalorienzufuhr und/oder einem hohen Körpergewicht fällt eine hohe absolute Proteinmenge weniger ins Gewicht, als bei leichteren Personen mit geringer Energiezufuhr. Bei der Definition der Proteinzufuhr sollten sowohl die absolute Aufnahme (g/ Tag), die Aufnahme Zufuhr in Relation zum Körpergewicht (g/ kg), sowie die anteilige Zufuhr an der Gesamtenergiezufuhr (Energieprozent) gemeinsam betrachtet werden.
Eine vorgeschlagene maximale Proteinzufuhr auf der Grundlage des körperlichen Bedarfs, der Gewichtskontrolle und der Vermeidung einer Proteintoxizität wären etwa 25% des Energiebedarfs bei etwa 2 bis 2,5 g/ kg/ Tag. Bei einer 80 kg schweren Person entspricht dies 176 g Protein pro Tag bei einer Kalorienzufuhr von 12.000 kJ (≙ 2868 kcal). Diese Proteinmenge liegt deutlich unter dem theoretisch maximalen sicheren Zufuhrbereich für eine 80 kg Person (285 bis 365 g/ Tag).2
Die Definition von „zu viel“ Protein ist daher komplex und nicht mit einem pauschalen Zahlenwert zu benennen. Die aufgenommenen Mengen an Protein und damit auch an Aminosäuren variieren von Person zu Person über einen weiten Bereich. Wenn die Zufuhr an Stickstoff und essentiellen Aminosäure über den Anforderungsniveaus liegen, scheinen sich gesunde Personen gut an sehr variable Proteinzufuhren anzupassen, weil sichtbare Anzeichen oder Symptome eines Aminosäureüberschusses – wenn überhaupt – bei üblichen Ernährungsgewohnheiten nur selten zu beobachten sind.
Daher erfordert die Definition von tolerierbaren Bereichen für die Aminosäurezufuhr bei gesunden Menschen Ansätze, die Abweichungen von normalen physiologischen und biochemischen adaptiven Prozessen auf subklinischer Ebene ermitteln. Kranke Personen, die eine therapeutische Verabreichung von Aminosäuren über die Venen benötigen oder aufgrund von angeborenen Fehlern des Aminosäure-Stoffwechsels bestimmte Aminosäuren nicht tolerieren können, sind einem höheren Risiko für nachteiligen Folgen der Infusion bzw. Aufnahme von Aminosäuren auf höheren Zufuhrebenen ausgesetzt.3
Der Gesundheitsstatus spielt bei der Bewertung von hohen Proteinzufuhren also eine entscheidende Rolle. Zudem ist „zu viel“ Protein ein dehnbarer Begriff. Hier stellt sich die Frage, wie genau eine hohe Proteinzufuhr oder „zu viel“ Protein definiert ist. Ist es bereits eine Zufuhr von mehr als der empfohlenen Tagesdosis (RDA) von 0,8 g je kg? Nun, grundsätzlich bezieht sich der Begriff „höher“ auf eine Proteinzufuhr, die über der durchschnittlichen Aufnahme der allgemeine Bevölkerung liegt.
In Deutschland beträgt die mediane Zufuhr an Protein laut Nationaler Verzehrsstudie II (NVZ II) 14 Prozent der Gesamtenergiezufuhr und damit über der empfohlenen Zufuhr4.
Da der vom Institute of Medicine festgestezt kzeptable Makronährstoffverteilungsbereich (AMDR) für Protein bei 10 bis 35% der Gesamtenergiezufuhr liegt, sollten Zufuhrwerte über 35% als proteinreiche Ernährungsformen angesehen werden5.
Wer über dem empfohlenen Wert von 0,8 g Protein/ kg am Tag liegt, muss also nicht zwangsweise sehr viel oder gar „zu viel“ Protein aufnehmen. Zumal eine erhöhte Proteinzufuhr (über der RDA von 0,8 g/ kg/ Tag) in zahlreichen Studien mit positiven Effekten verbunden wurde (siehe Abschnitt „Höhere Proteinzufuhr: Vorteile vs. Nachteile“).
Dennoch werden vielerorts Bedenken einer höheren Proteinaufnahme geäußert, z.B. hinsichtlich der Auswirkungen auf die Nieren, die Knochengesundheit oder die Leber. Doch was sagt die aktuelle Studienlage?
Ist zu viel Protein schädlich für die Nieren?
Die Rolle einer erhöhten Proteinzufuhr in der Entwicklung und dem Fortschreiten einer Nieren-Dysfunktion ist ein heiß diskutiertes Thema. Vor allem muss man hier zwischen gesunden Personen und Personen mit existierenden Nierenschäden unterscheiden.
Ein umfassendes Verständnis der Implikationen von proteinreichen Diäten ist gemäß einem Review von 2004 begrenzt. Gründe hierfür sind das Fehlen einer allgemein akzeptierten Definition für hohe Proteinzufuhren, einem Mangel an rigorosen Langzeit-Interventionstudien am Menschen, die es erforderlich machen, sich auf kurzfristige oder Indizienbeweise zu stützen, sowie die spärliche Datenlage bezüglich der Auswirkungen eines hohen Proteinkonsums bei übergewichtigen Personen. Zusätzlich wird die Sachlage dadurch verkompliziert, dass die Auswirkungen proteinreicher Diäten auf die Nieren für begrenzte Zeiträume höchstwahrscheinlich anders ist als bei dauerhafter Anwendung.
Obwohl es keine klare Nieren-bezogene Kontraindikationen für proteinreiche Diäten bei Personen mit gesunder Nierenfunktion gibt, sollten die theoretischen Risiken sorgfältig überprüft werden. Im Gegensatz dazu haben proteinreiche Diäten bei Personen mit chronischen Nierenerkrankungen (chronic kidney disease; CKD) das Potenzial für erhebliche Schäden und sollten nach Möglichkeit vermieden werden. Da CKD oft eine stille Krankheit ist, empfehlen die Autoren vor der Einleitung einer solchen Diät die Messung des Serumkreatinins und einen Harn-Peilstab-Test für Proteinurie6.
Auch in einem Review aus dem Jahre 2005 heißt es, dass eine Einschränkung der Proteinzufuhr für die Behandlung von bestehenden Nierenerkrankungen geeignet sein kann, jedoch keine signifikanten Beweise für eine nachteilige Wirkung von hohen Proteinmengen auf Nierenfunktion bei gesunden Personen gefunden wurden. Eine übermäßige Proteinzufuhr bleibt daher bei Personen mit bestehender Nierenkrankheit ein gesundheitliches Anliegen. Um eine Verbindung zwischen der Proteinzufuhr und der Initiation bzw. Einleitung oder dem Fortschreiten einer Nierenerkrankung bei gesunden Individuen herzustellen, fehlt es laut Review an signifikanter Forschung.
Noch wichtiger ist, dass Hinweise auf Protein-induzierte Veränderungen in der Nierenfunktion wahrscheinlich ein normaler adaptiver Mechanismus innerhalb der funktionellen Grenzen einer gesunden Niere sind. Obwohl noch Langzeitstudien erforderlich sind, gäbe es gegenwärtig keinen hinreichenden Beweis, um die Proteinzufuhr bei gesunden Erwachsenen zum Zwecke des Erhalts der Nierenfunktion einzuschränken.7
Laut einem Review von 2006 hätten zahlreiche Fallstudien mit erhöhter Proteinaufnahme eine deutliche Steigerung der Progressionsrate bei Nierenfunktionsstörungen gezeigt. Bei einer beeinträchtigten Nierenfunktion kann eine reduzierte Proteinzufuhr sicherlich das Fortschreiten des Nierenversagens verlangsamen, jedoch besteht kein Zusammenhang zwischen einer erhöhten Proteinzufuhr (1,2 bis 2,0 g/ kg/ Tag) und der Entwicklung einer Niereninsuffizienz. Auch ist die renale Clearance (Klär- bzw. Entgiftungsleistung der Nieren) bei Proteinzufuhren bis zu 3 g/ kg/ Tag noch sehr effizient.8
Beispielsweise analysierte eine prospektive Kohortenstudie aus dem Jahre 2009 die Daten von 8.461 Personen, die keine Nierenerkrankung hatten. Obwohl der Bereich der täglichen Proteinzufuhr bei diesen Personen weit zwischen 0,3 bis 3,3 g/ kg variierte, fanden die Forscher keine Beziehung zwischen der Proteinzufuhr und der Rate des Nierenfunktionsverlustes im Verlauf der Zeit (6,4-Jahres Follow-Up), sogar in der Untergruppe von Personen mit einer eGFR <60 ml / min pro 1,73 m² und/oder Personen mit Mikroalbuminurie. Zur Erläuterung: Die eGFR in ml/min ist die wichtigste Größe zur Einschätzung der Nierenfunktion und ist bezogen auf eine Körperoberfäche von 1,73 m². Der Normwert liegt zwischen 90 – 120 ml/min, das heißt, dass die Niere etwa 170 l Primärharn pro Tag filtert. Erhöhte Werte zeigen, dass die Niere versucht mehr auszuscheiden. Das Absinken der eGFR-Werte hingegen zeigt das Nachlassen der Nierenfunktion. Mikroalbuminurie bedeutet eine geringfügige Erhöhung der über den Urin ausgeschiedene Menge des Proteins Albumin und dient zur Früherkennung der diabetischen Nierenschädigung.
Die Kohortenstudie zeigte zwar, dass eine hohe Proteinzufuhr in der Allgemeinbevölkerung mit einer höheren Inzidenz bzw. Neuerkrankungsrate von kardiovaskulären Ereignissen in der Allgemeinbevölkerung einhergeht; jedoch wurden in der Studien-Kohorte (mit relativ normaler Nierenfunktion bei Studienbeginn) keine ungünstigen Effekte einer proteinreichen Ernährung auf die Nieren gefunden.9
Ein weiteres Review von 2013 zu den gesundheitlichen Auswirkungen der Proteinzufuhr bei gesunden Erwachsenen ergab, dass der Nachweis bezüglich schädlicher Auswirkungen einer hohen Proteinzufuhr als nicht schlüssig angesehen wurde. Jedoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine hohe Proteinzufuhr, die ca. 24 Energieprozent oder ca. 2 g / kg entspricht, die Nierenfunktion langfristig beeinträchtigen könnte. Potenziell nachteilige Wirkungen einer Proteinzufuhr von mehr als 20-23 Energieprozent seinen noch zu untersuchen.10
Auf der anderen Seite gibt es auch Studien, die darauf hindeuten, dass eine erhöhte Proteinzufuhr auch bei Personen ohne chronische Nierenschäden langfristig nachteilige Konsequenzen auf die Nierenfunktion haben könnte. Hier lohnt sich, die untersuchte Personengruppe genauer anzuschauen. Bei Fettleibigen – die ohnehin ein erhöhtes Risiko für eine Nierenfunktionsstörung haben – könnte eine hohe Proteinzufuhr beispielsweise einen weiteren nachteiligen Faktor darstellen. Denn auch Übergewicht, Fettleibigkeit und das metabolische Syndrom erhöhen das Risiko einer Nierenerkrankung.11
Ebenso sollten Personen mit Typ-2-Diabetes nach den Empfehlungen der American Diabetes Association nicht auf proteinreiche Diäten als Mittel zur Gewichtsreduktion zurückgreifen, da die Langzeitfolgen von Proteinzufuhren über 20 Energieprozent unbekannt sind12. Auf der anderen Seite bestehen auch Studien, die keine nachteiligen Effekte einer erhöhten Proteinzufuhr bei Typ-2-Diabetikern auf die Nieren zeigen.
Eine randomisierte kontrollierte Studie hat beispielsweise ergeben, dass eine Diät mit einer moderat erhöhten Proteinzufuhr (30 Energieprozent) keine nachteiligen Auswirkungen auf die Nierenfunktion bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und einer frühen Nierenerkrankung hat13. Ebenso kann die Erhöhung der Proteine in der Ernährung (auf 30 Energieprozent) zulasten der Kohlenhydratzufuhr die Hyperglykämie (erhöhter Blutzuckerspiegel) bei Personen mit Typ-2-Diabetes reduzieren. Auch in dieser kleineren, randomisierten Cross-over-Studie wurde die Nierenfunktion nicht signifikant beeinträchtigt.14
Bei Personen ohne Nierenerkrankung erhöht eine gesteigerte Proteinzufuhr (25 Energieprozent) die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR; estimated glomerular filtration rate) im Vergleich zu einer erhöhten Zufuhr an Kohlenhydraten oder ungesättigten Fetten15. Neben einer erhöhten GFR wurden proteinreiche Diäten auch mit einer Erhöhung des Serum-Harnstoffs, der Harn-Calcium-Ausscheidung und der Serum-Konzentrationen von Harnsäure assoziiert16.
Eine hohe Proteinzfuhr führt also zu messbaren Veränderungen in der Nierenfunktion. Die Frage ist nur, wie solche Veränderungen interpretiert werden. Einige Forscher deuten eine erhöhte Funktionssteigerung (auch als renale „Hyperfiltration“ bezeichnet) als Zeichen von Nierenstress und sogar Schäden. Beispielsweise schließen die Autoren eines Reviews von 2013, dass eine erhöhte GFR infolge einer erhöhten Proteinzufuhr auf lange Sicht nachteilige Folgen für die Nierenfunktion haben könnte, jedoch sei nach wie vor ungewiss, ob der langfristige Konsum einer proteinreichen Ernährung tatsächlich zu einer Nierenerkrankung führt17.
Andere sehen in der Hyperfiltration, dass die Nieren einfach nur einen besseren Job machen. Sie deuten eine Hyperfiltration nicht als pathologischen Zustand, der schließlich zu einer Nierenerkrankung führen wird, sondern als eine normale adaptive Antwort auf mehr Protein in der Ernährung. Die Schwangerschaft ist beispielsweise ein Fall, bei dem die GFR signifikant ansteigt. Doch trotz dieser Veränderungen in der Nierenfunktion stellt eine Schwangerschaft keinen Risikofaktor für die Entwicklung einer Nierenkrankheit dar.18
Ein Review von 2015, welches mögliche Auswirkungen einer proteinreichen Ernährung auf die Nierengesundheit untersuchte, fasst zusammen, dass proteinreiche Ernährunsgformen für einige Personen geeignet sein mögen, für andere aber nicht. Daher müssen spezifische individuelle Bedürfnisse, sowie mögliche negative Konsequenzen besonnen betrachtet werden, bevor eine solche Ernährungsform adaptiert wird.
Eine moderate Aufnahme von 1,5 g /kg/ Tag fällt bei den meisten Personen problemlos in den akzeptablen Proteinzufuhr-Bereich (AMDR 10-35%). Allerdings existiert derzeit kein objektiver Standard für eine Proteinzufuhr >0,8 g/kg/ Tag. Es ist wichtig zwischen der Proteinmenge, die erforderlich ist, um die Knochen- und Muskelgesundheit zu optimieren und der Menge, die notwendig ist, um einen Mangel zu verhindern, zu unterscheiden.
Zudem sei auch zu beachten, dass eine proteinreiche Ernährung schädlich für Patienten mit chronische Nierenerkrankungen (CKD) ist. Für Patienten mit gesunden Nieren scheint der Konsum einer proteinreichen Kost jedoch angesichts der Ergebnisse mehrerer Studien eher vorteilhaft als schädlich zu sein.19
Bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz (CKD; chronic kidney disease) wird häufig eine proteinarme Ernährung mit 0,6-0,8 g /kg / Tag empfohlen. Laut einem Review von 2017 scheinen mehrere Studien und Metaanalysen die Rolle einer proteinarmen Kost bei der Verlangsamung der Progression bzw. Entwicklung von CKD und der Verzögerung der Einleitung einer Dialyse-Therapie zu unterstützen. Dabei sollte eine ausreichende Protein- und Energiezufuhr sichergestellt werden, um eine Protein-Energie-Malnutrition (Verlust von Körperproteinmasse und Energiereserven im Sinne von Fettmasse) zu vermeiden.20
Nachteilige Effekte einer hohen Proteinzufuhr sind zwar nicht gänzlich auszuschließen, jedoch gilt es auch diesen Aspekt differenziert zu betrachten. Eine Meta-Analyse aus dem Jahre 2014 verglich mehrere Ernährungsformen mit unterschiedlich hohem Proteinanteil bei Menschen ohne chronische Nierenschäden. Sie stellt fest, dass proteinreiche Ernährungsformen mit einer erhöhten glomerulären Filtrationsrate (GFR), sowie einer Erhöhung des Harnstoffwertes im Serum, der Calciumausscheidung im Harn und Serum-Konzentrationen von Harnsäure assoziiert werden. Die meisten dieser Veränderungen könnten als physiologisch adaptive Mechanismen interpretiert werden, die durch eine proteinreiche Ernährung ohne klinische Relevanz hervorgerufen werden.
Jedoch wird unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die subklinische bzw. „leicht verlaufende“ chronische Niereninsuffizienz (CKD) weit verbreitet ist und Fettleibigkeit mit Nierenerkrankungen in Verbindung steht geraten, Abnehmprogramme, die eine proteinreiche Diät vor allem aus tierischen Quellen empfehlen, mit Vorsicht zu behandeln.21
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich Personen mit gesunden Nieren wenig Sorgen um eine mögliche Nierenerkrankung aufgrund einer erhöhten Proteinzufuhr machen müssen. Wer zusätzliche Risikofaktoren für eine Nierenerkrankung, wie Übergewicht, Fettleibigkeit und das metabolische Syndrom aufzeigt oder an Typ-2-Diabetes leidet, sollte eine Erhöhung der Proteinzufuhr (z.B. zur Gewichtsabnahme) ärztlich abklären lassen.
Neben dem Gesundheitszustand kann auch die Proteinquelle eine Rolle spielen. So kann der tägliche Verzehr von rotem Fleisch über Jahre hinweg das CKD-Risiko erhöhen, während weißes Fleisch (z.B. Geflügel) und Milchproteine keine solche Wirkung haben und Pflanzenproteine sogar eine schützende Wirkung auf die Nieren ausüben können. Jedoch ist die Datenlage – vor allem auf lange Sicht – mau. Es gibt nur wenige randomisierte Studien mit einer Beobachtungszeit von mehr als 6 Monaten und die meisten davon wurden bei Patienten mit bereits vorhandenen Krankheiten durchgeführt, die für CKD anfällig sind. Die Ergebnisse sind widersprüchlich und erlauben keine Schlussfolgerung über nierenschädigende Auswirkungen einer langfristigen, hohen Proteinzufuhr. Solange keine zusätzlichen Daten vorliegen, scheint das vorhandene Wissen ein Anliegen zu untermauern. Ein Screening für CKD sollte vor und während der langfristigen, High-Protein-Aufnahme berücksichtigt werden.22 23
Einige Studien unterstützen zudem die Annahme, dass sich eine pflanzenbasierte Ernährung vorteilhaft auf eine bestehende Nierenerkrankung auswirken – genauer sagt bei Patienten mit CKD die Progression verzögern, endothelialen Schutz bieten (das Endothel ist die Zellschicht an der Innenfläche der Blut- und Lymphgefäße), einen hohen Blutdruck kontrollieren und Proteinurie (übermäßige Ausscheidung von Proteinen) verringern – kann.24
Protein & Knochengesundheit
Eine systhematische Meta-Analyse aus dem Jahre 2009 ergab eine positive Assoziation zwischen der Proteinzufuhr und der Knochengesundheit, genauer gesagt der Knochenmineraldichte, dem Knochenmineralgehalt und der Reduktion der Knochenresorptionsmarker (können diagnostisch Hinweise auf eine Osteoporose geben). Allerdings stand die Proteinzufuhr laut diesem Review auf lange Sicht nicht zwangsläufig mit einem reduzierten Frakturrisiko in Verbindung.
Laut den Autoren zeigt die Beweislage, dass die Wirkung von Nahrungsprotein auf das Knochengerüst in geringem Umfang günstig oder zumindest nicht schädlich ist. Jedoch sei mehr Forschung ist erforderlich, um die Protein-Debatte zu lösen. In der Zwischenzeit stellen die Proteinzufuhr und die Ausgewogenheit verschiedener Proteinquellen, wie in Ernährungsrichtlinien angegeben werden, eine angemessene Empfehlung dar.25
Eine jüngere Meta-Analyse von 2017 unterstützt hingegen die Annahme, dass eine Proteinzufuhr über der RDA (0,8 g/ kg/ Tag oder 10%-15% der Gesamtenergiezufuhr) einen positiven Effekt auf die Knochengesundheit hat und eine gewisse Rolle bei der Vermeidung von Hüftfrakturen und dem Verlust von Knochenmineraldichte spielt. Auch scheint es hinsichtlich der Fähigkeit, den Knochenverlust zu verhindern, keinen Unterschied zwischen pflanzlichen und tierischen Proteinen zu geben, obwohl die Daten in diesem Bereich recht knapp sind.26
Auch frühere Studien sehen keine Hinweise darauf, dass eine hohe Proteinzufuhr per se nachteilig für die Knochenmasse wäre. Trotzdem erscheint es sinnvoll, sehr hohe Proteinmengen (z.B. mehr als 2,0 g/ kg Körpergewicht/ Tag) zu vermeiden, wenn sie mit einer geringen Calciumaufnahme einhergehen (z.B. weniger als 600 mg/ Tag). Zum Vergleich: der Tagesbedarf an Calcium liegt laut DGE bei 1.000 mg/Tag27. Die Calciumzufuhr, aber auch die Zufuhr an basischen Lebensmitteln, wie Obst und Gemüse könnte demnach Einfluss auf die Auswirkungen von Nahrungsprotein auf das Knochengerüst haben28 29. Bei älteren Menschen gibt es unter Berücksichtigung der abgeschwächten anabole Reaktion auf Nahrungsprotein im Alter Bedenken, dass die derzeit empfohlene Tagesdosis (RDA) von 0,8 g /kg/ Tag zu niedrig für die primäre und sekundäre Prävention von Fragilitätsfrakturen sein könnte.30 31
Laut einem Review aus dem Jahre 2005 wird eine niedrige Proteinzufuhr bei älteren Personen häufig bei Patienten mit Hüftfrakturen beobachtet. Bei diesen Patienten führte eine Proteinergänzung zu einer Abnahme des Knochenverlustes nach dem Bruch, zu einer Erhöhung der Muskelkraft, sowie zu einer Reduzierung von medizinischen Komplikationen und dem Krankenhausaufenthalt. Große prospektive epidemiologische Beobachtungsstudien zeigen, dass eine relativ hohe Proteinzufuhr, einschließlich tierischer Quellen, mit einer erhöhten Knochenmineraldichte und einer reduzierten Inzidenz für osteoporotische Frakturen einhergeht. Nahrungsproteine erhöhen zudem den IGF-1-Faktor (Insulin-like growth factor 1), der die Skelettentwicklung und Knochenbildung fördert. Laut den Autoren sind Proteine in der Ernährung für die Knochengesundheit und Osteoporose-Prävention genauso wichtig wie Calcium und Vitamin D.32
Auch Sportler und körperlich aktive Personen profitieren von einer höheren – zumindest adäquaten – Proteinzufuhr hinsichtlich ihrer Knochengesundheit. Nahrungsprotein stellt einen wichtigen Nährstoff für die Knochengesundheit dar, der die Knochen in mehrfacher Hinsicht beeinflusst. Neben der eben bereits erwähnten Regulierung der Serumkonzentrationen des Insulinähnlichen Wachstumsfaktores 1 (IGF- 1), stellt Protein auch einen großen Bestandteil der organischen Strukturmatrix des Knochens dar und kann den Calciumstoffwechsel beeinflussen (Calciumausscheidung und Absorption bzw. Aufnahme).
Frühere Forschungsarbeiten suggerierten, dass eine hohe Proteinzufuhr die Knochengesundheit beeinträchtigt, da in einer Mehrzahl der Studien eine sog. Hyperkalzurie (vermehrte Ausscheidung von Calcium über den Urin) auftrat, nachdem sich Personen proteinreich ernährten. Insbesondere der Konsum von tierischen Proteinen könnte zu einer erheblichen Zunahme an metabolischen Säuren führen, was die Auflösung von Knochenmineral erforderlich machen würde, um die Säure wieder zu neutralisieren. Es wurde theoretisiert, dass dieser Prozess im Laufe der Zeit den Verlust der Knochenmineralmasse beschleunigen und das Risiko für Knochenfrakturen erhöhen würde.
Eine Zunahme der Calciumausscheidung ist jedoch nicht zwangsläufig mit Calciumverlust, einem negativen Calciumhaushalt und einer reduzierten Knochenmasse gleichzusetzen. Auch die Calciumabsorption bzw. Aufnahme ist zu berücksichtigen. Kerstetter et al. berichteten z.B., dass ein hoher Proteinkonsum (2,1 g/ kg Körpermasse) nicht nur die Harn-Calcium-Ausscheidung, sondern auch die Darm-Calcium-Absorption signifikant erhöhte33. Sie vermuteten, dass eine erhöhte Absorption und nicht der Knochenmineralabbau die Hauptquelle für die erhöhte Calciumausscheidung nach der Zufuhr hoher Proteinmengen war. Andere unterstützten diese Theorie, indem sie argumentierten, dass die metabolische Säurebelastung, die durch den Verzehr großer Mengen an Protein entsteht, durch die hocheffizienten Mechanismen der Säure-Basen-Haushalt-Regulation (Entsäuerung) bewältigt werden kann34.
Eine proteinreiche Ernährung steht laut zahlreichen Studien mit einer erhöhten Produktion von IGF-1, einem erhöhten Knochenmineralgehalt, einem verminderten Bruchrisiko und einer erhöhten Frakturreparatur nach Verletzung im Zusammenhang. Höhere Proteinzufuhren werden auch für heranwachsende und jugendliche Sportler, die ein anstrengendes Training absolvieren, sie aufgrund des Prozesses der Knochenmodellierung und des -Wachstums, sowie der Intensität der körperlichen Aktivität einen höheren Proteinbedarf haben. Eine unzureichende Proteinzufuhr kann in dieser Gruppe die anabole Reaktion des Knochengerüstes auf die mechanische Belastung abschwächen, sowie die Knochenstruktur und Kraft beeinträchtigen.
Es besteht eine allgemeine Übereinstimmung, dass Ernährungsformen mit einem mäßig hohen Proteingehalt (1,0-1,5 g/ kg/ Tag), mit einem normalen Calciumstoffwechsel assoziiert werden, der die Skeletthomöostase vermutlich nicht verändert. Eine ausreichende Proteinzufuhr ist für die Entwicklung und Aufrechterhaltung eines gesunden Skelettgewebes unerlässlich. Darüber hinaus ist die Aufrechterhaltung einer adäquaten Knochenstärke für Hochleistungsaktivitäten eng mit der Aufrechterhaltung einer ausreichenden Muskelmasse und -funktion verbunden, die wiederum von einer ausreichenden Aufnahme von hochwertigem Protein abhängt.
Was die Proteinquelle betrifft (tierische vs. pflanzlich) deuten verschiedene Studien darauf hin, dass die Calcium-Absorption im Darm, die durch das Gesamtvolumen der Proteinzufuhr bestimmt wird, eine viel stärkere Determinante der Urin-Calcium-Ausscheidung darstellt als die Proteinquelle – ob pflanzlichen oder tierischen Ursprungs)35. Auch Bonjour sieht keinen einheitlichen Beweis für die Überlegenheit von pflanzlichem über tierischem Proteinen auf den Calciumstoffwechsel, die Prävention von Knochenschwund und die Risikominderung von Fragilitätsfrakturen36.
Einfluss auf die Leber
Die Leber nimmt eine wichtige Rolle im Proteinstoffwechsel (z.B. Albuminsynthese, Harnstoffsynthese) ein38. Werden Aminosäuren über die Nahrung aufgenommen, gelangen sie über die Pfortader in die Leber. Hier dienen sie dem Aufbau von Leber- und Plasmaproteinen. Die Leber ist der Hauptlieferant für Proteine und benötigt die Eiweiße zum einen selber für die eigene Struktur und zum anderen gibt sie Eiweiße auch ins Blut ab.
Da Aminosäuren im menschlichen Organismus nicht gespeichert werden können, baut die Leber sie auch zu Glutamin und Harnstoff um. Glutamin wird in der Niere zu Ammoniak abgebaut, welcher dann zusammen mit Harnstoff über die Niere ausgeschieden werden.39
Die Menge an Nahrungsprotein, die innerhalb eines Tages von der Leber desanimiert und zu Harnstoff verarbeitet werden kann, hängt vom Körpergewicht und den individuellen Schwankungen bei der Effizienz dieses Prozesses ab. Zum Beispiel könnte eine 80 kg schwere Person bis zu 301 g Protein pro Tag desaminieren (Desaminierung = erster Schritt des biochemischen Abbaus von Aminosäuren; läuft hauptsächlich in der Leber ab), jedoch durch die maximale Rate der Harnstoffsynthese auf 221 g Protein pro Tag begrenzt sein. Allerdings kann das sichere Niveau der Proteinzfuhr sogar etwas über den angegebenen Mengen liegen, da nicht alle Proteine desaminiert und zu Harnstoff umgewandelt werden.40
Die empfohlene Tagesdosis von 0,8 g Protein je kg Körpergewicht am Tag spiegelt die erforderliche Proteinzufuhr zur Deckung der strukturellen und funktionellen Anforderungen der durchschnittlichen Bevölkerung wieder und erfordert daher keine Desaminierung. Zählt man den Proteinbedarf laut RDA (64 g / Tag für eine 80 kg Person) zu der Proteinmenge hinzu, die in Harnstoff umgewandelt werden kann, ergibt sich eine theoretische maximale tägliche Proteinzufuhr auf Basis des Körpergewichts und der Effizienz der Harnstoffsynthese.
Um bei unserem Beispiel zu bleiben: eine 80 kg schwere Person könnte theoretisch 325 g Protein (zwischen 285 und 365 g) am Tag tolerieren, ohne Symptome einer Hyperammonämie (krankhaft erhöhter Ammoniumgehalt im Blut) oder Hyperaminoacidämie (Konzentrationsanstieg von Aminosäuren im Blut) zu zeigen. Solch hohe Proteinmengen sollen keine Empfehlung sein. Vielmehr ist das untere Ende dieses Bereichs als die maximal sichere Zufuhrmenge anzusehen, um auch Personen mit einer reduzierten Harnstoffsyntheserate gerecht zu werden. Und selbst 285 g Protein am Tag übersteigen mit 3,6 g/ kg (bei 80 kg Gewicht) die üblichen Empfehlungen – selbst für Leistungssportler.
Zudem sollten die Gefahren einer übermäßigen Proteinzufuhr nicht unterschätzt werden. Eine exzessive Proteinzufuhr von etwa 5 g/ kg/ Tag kann die Kapazität der Leber, überschüssigen Stickstoff in Harnstoff umzuwandeln, überschreiten. Eine ausgewogene Ernährung ist für die Lebergesundheit von entscheidender Bedeutung. Auch ein allgemeiner gesunder Lebensstil (Verzicht auf Rauchen, möglichst wenig Alkohol, guter Schlaf und ausreichend Wasser) tragen zur Lebergesundheit bei41.
Höhere Proteinzufuhr: Vorteile vs. Nachteile
Mehr Protein – oder doch weniger? Was ist besser? Zu wenig Protein sollte es definitiv nicht sein.
Ältere Menschen scheinen zwischen 1,0 bis 1,3 g Protein/ kg / Tag zu benötigen, um die körperliche Funktion zu optimieren – vor allem in Kombination mit Widerstandstraining42. Bei Sportlern haben sich eine höhere Proteinzufuhr als durchweg positiv hinsichtlich Gewichtsverlust, Fettabbau und Erhalt der Muskelmasse im Vergleich erwiesen. Und auch während einer Diät kann sich eine Anhebung der Proteinzufuhr auf über 1,5 g/ kg/ Tag positiv auf den Gewichtsverlust auswirken43
Darüber hinaus scheint Nahrungsprotein laut dem 2015er Review eine wichtige Rolle bei anderen Stoffwechselprozessen, wie der Sättigung, der zellulären Signalisierung und der thermogenen und glykämischen Regulation im Körper zu spielen. Dieser Effekt wird jedoch nur dann wichtig, wenn die Zufuhr über der empfohlenen Tagesmenge (0,8 g/kg/ Tag) liegt. So ist es wahrscheinlich, dass die Proteinzufuhr über diesem Wert in vielen Situationen vorteilhaft sein könnte. Um mögliche negative Konsequenzen einer proteinreichen Ernährung zu bestimmen sollten laut den Autoren langfristige klinische Interventionsversuche, in denen das Nahrungsprotein bei gesunden Personen erhöht wird, durchgeführt werden.44
Obwohl eine höhere Proteinzufuhr in gewissen Situationen bzw. bei bestimmten Zielgruppen vorteilhaft und z.T. erforderlich sein mag (siehe Artikel zum Proteinbedarf), wird die Höhe der Proteinzufuhr aber auch im Zusammenhang mit möglichen nachteiligen Effekten kontrovers diskutiert.
Eine Meta-Analyse aus dem Jahre 2012 kommt zu dem Schluss, dass eine proteinreiche Ernährung wahrscheinlich zur Verbesserung von Adipositas, Blutdruck und Triglyceridwerten führt, diese Effekte jedoch gering ausfallen und gegen das Potenzial für Schäden abgewägt werden müssen45.
Ein Review von 2013 untersuchte die Nebenwirkungen im Zusammenhang mit einer Proteinaufnahme über dem empfohlenen Richtwert für Erwachsene. Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass es aufgrund potenzieller Gesundheitsrisiken derzeit keine vernünftige wissenschaftliche Grundlage in der Literatur gibt, eine Proteinzufuhr über der aktuellen RDA für gesunde Erwachsene zu empfehlen. Trotz der Tatsache, dass eine kurzfristige Erhöhung der Proteinzufuhr in mehreren pathologischen Zuständen notwendig sein könnte (Mangelernährung, Sarkopenie, etc.), ist es offensichtlich, dass „zu viel von einer guten Sache“ in der Ernährung nutzlos oder sogar schädlich für gesunde Individuen sein könnte.46
Viele Erwachsene oder sogar Jugendliche (vor allem Athleten oder Bodybuilder) würden sich selbst Protein-Supplements verordnen und dabei die Risiken des Gebrauchs übersehen – vor allem aufgrund falscher Annahmen über deren leistungssteigernde Fähigkeiten. Laut Review sind Einzelpersonen, die dieser Ernährung folgen, daher gefährdet. Leitlinien für die Ernährung sollten sich genau an das klinisch Bewährte halten und nach diesem Standard gibt es derzeit keine Grundlage, eine hohe Protein- bzw. Fleischzufuhr über den Leitlinien für gesunde Erwachsene zu empfehlen. Für einen entgültigeren Beweis müssten weitere Untersuchungen mit großen randomisierten kontrollierten Studien durchgeführt werden.
Die American Heart Association (AHA) weist darauf hin, dass ein Proteinüberschuss in der Allgemeinbevölkerung nicht effizient durch den Körper verwertet wird und eine metabolische Belastung für die Knochen, Nieren und Leber darstellen kann. Darüber hinaus können Ernährungsformen mit viel Protein bzw. Fleisch aufgrund der Aufnahme von gesättigten Fettsäuren und Cholesterin auch mit einem erhöhten Risiko für koronare Herzerkrankungen oder sogar Krebs assoziiert werden – vor allem bei Personen mit mehreren Risikofaktoren, einschließlich Fettleibigkeit.
Proteinreiche Diäten zum Zwecke der Gewichtsreduktion schränken die Kohlenhydrate und damit auch die Lebensmittelauswahl oft stark ein (z.B. Atkins-Diät), was den Nährstoffbedarf, aber auch den den Langzeit-Erfolg gefährden kann. Ein erfolgreicher Gewichtsverlust tritt am häufigsten auf, wenn die Nahrungszufuhr ein kalorisches Defizit (≈500 kcal /Tag pro 0,5 kg Gewichtsverlust pro Woche) erlaubt, das auf die individuellen Nahrungsmittelpräferenzen zugeschnitten ist. Dabei sollten täglich mindestens 1.200 kcal (für Frauen) und 1500 kcal (für Männer) bereitgestellt werden.
Das gesamte Energiedefizit hat den größten Einfluss auf die Gewichtsreduktion, vor allem, wenn es mit einer erhöhten körperlichen Aktivität und Verhaltensänderung verbunden ist, um unterm Strich eine negative Energiebilanz zu erzielen. Auf lange Sicht sollte die Zusammensetzung der Diät mit einem ausgewogenen Ernährungsplan übereinstimmen, der die Gewichtsreduktion unterstützt und einem reduzierten Risiko für chronische Erkrankungen aufweist.47
Fazit: Ist viel Protein ungesund?
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Ergebnisse zu möglichen positiven, wie auch negativen Konsequenzen einer hohen bzw. höheren Proteinzufuhr (über dem Richtwert von 0,8 g/kg/ Tag), z.T. widersprüchlich sind. Die Proteinanforderungen der WHO oder der DGE stellen per Definition die sichere Proteinmenge dar, die zur Erzielung eines Stickstoff-Gleichgewichts und zur Vermeidung eines Proteinmangels erforderlich ist. Allerdings kann eine erhöhte Proteinzufuhr, die sicher zu sein scheint, mehrere günstige metabolische Anpassungen hervorrufen, darunter ein verbessertes Gewichtsmanagement (wie Fettabbau, Erhalt der Magermasse, Gewichtskontrolle), glykämische Regulierung, Calcium-Retention und Langzeit-Knochengesundheit.48
Die AHA bringt es auf den Punkt indem sie sagt, dass das Hauptproblem bei zu viel Protein ist, dass das zusätzliche Protein oft aus Fleisch mit einem hohen Gehalt an gesättigten Fetten stammt, was zu einem erhöhten LDL-Cholesterinspiegel beitragen kann. Zudem würde eine höhere Proteinzfuhr auf Kosten anderer Nahrungsmittelgruppen gehen, die bei vielen Personen zu kurz kommen (z.B. Obst und Gemüse). Bei der Frage nach dem täglichen Proteinbedarf wird auch hier die Spanne von 10 bis 35 Energieprozent genannt, die am oberen Ende dennoch einer recht hohen Proteinzufuhr entspricht.49
Wie viel Protein ist „zu viel“ Protein? – Das hängt vom Proteinbedarf, Gesundheitsstatus und diversen weiteren Faktoren, wie Alter, sportlicher Aktivität und der sonstigen Ernährung an. Auch sollte man die Proteinzufuhr nicht nur in absoluten Mengen, sondern auch in Relation zum Körpergewicht und der Gesamtenergiezufuhr betrachten. Sobald eine hohe Proteinmenge andere wichtige Nährstoffe aus dem Speiseplan verdrängt, zu einer Ernährung führt, die sich auf nur wenige Lebensmittel beschränkt, dem Bedarf an Mikronährstoffen nicht mehr gerecht wird und/oder negative Folgen auf die Gesundheit hat, handelt es sich höchstwahrscheinlich um „zu viel“ Protein.
Für Veganer ist es kaum möglich, sich ausschließlich von Protein zu ernähren – es sei denn über Nahrungsergänzungsmittel –, da pflanzliche Lebensmittel und Proteinquellen i.d.R. immer einen gewissen Anteil an Kohlenhydraten und/oder Fetten enthalten. Eine zu hohe Proteinzufuhr ist bei rein pflanzlicher Ernährung daher kein großes Diskussionthema. Im Gegenteil: bei Veganern wird weitaus häufiger über eine eventuell unzureichende Proteinaufnahme debattiert.
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