Wenn es um tierische oder pflanzliche Proteine geht, kommt häufig der Begriff „Proteinqualität“ ins Spiel. Aber worum handelt es sich dabei genau? Und wie lässt sich die Qualität eines Nahrungsproteins verlässlich bewerten?
Im allgemeinen Sinne bezieht sich die Proteinqualität darauf, wie gut oder schlecht der Körper ein Nahrungsprotein nutzt bzw. seine Fähigkeit, definierte metabolische Wirkungen zu erzielen1. Technischer ausgedrückt geht gibt die Proteinqualität an, wie gut das Profil an essentiellen Aminosäuren eines Proteins die menschlichen Anforderungen an essentiellen Aminosäuren adäquat erfüllen kann. Die Verdaulichkeit des Proteins und die Bioverfügbarkeit der Aminosäuren spielen ebenfalls eine Rolle.
Im Wesentlichen geht es bei der Proteinqualität also darum, wie gut oder wie schlecht ein über die Nahrung zugeführtes Protein vom Körper verwendet wird, sobald es verdaut wurde. Kein Prozess im Körper arbeitet zu 100% effektiv, auch nicht die Verdauung. Ein Teil der aufgenommenen Nährstoffe wird aus einer Vielzahl von Gründen dem Verdauungsprozess entwischen und seinen Weg durch den Darm fortsetzen.
Das Konzept der Verdaulichkeit definiert sich in der Regel in Bezug auf die Balance von Aminosäuren über den Dünndarm (Mund bis terminales Ileum: ileale Verdaulichkeit) oder über den gesamten Darm (Mund zu Anus: faecale Verdaulichkeit). Die Verdaulichkeit basiert auf dem Prinzip, dass die Unterschiede zwischen Zufuhr und Verlusten ein Maß für das Ausmaß der Verdauung und Absorption bzw. Aufnahme von Nahrungsproteinen als Aminosäuren durch den Magen-Darm-Trakt zur Verwendung durch den Körper liefern.
Bei der Verdaulichkeit der Nährstoffe gibt es z.T. erhebliche Unterschiede. Die Verdaulichkeit von Fetten wird mit etwa 97 Prozent angegeben. Bei Kohlenhydraten beträgt die Verdaulichkeit höchstes 98 Prozent, jedoch kann es hier – je nach Kohlenhydrat-Quelle – zu starken Unterschieden kommen. So kann die Anwesenheit von Ballaststoffen mit Kohlenhydrat-Charakter (z.B. verdauungsresistente Stärke) die Verdaulichkeit deutlich reduzieren.
Und was ist mit Proteinen? Die Verdaulichkeit pflanzlicher Proteine liegt im Durchschnitt bei 85 Prozent, die von tierischen dagegen bei 95 Prozent. Unter unseren Verzehrbedingungen ist von einer Proteinverdaulichkeit von 94 Prozent auszugehen. Ein höherer Ballaststoffanteil und Anti-Nährstoff-Faktoren können auch die Verdaulichkeit von Proteinen bzw. Aminosäuren und Fetten um weitere 4-6 Prozent herabsetzen2 3.
Die Verarbeitung von Nahrungsmitteln und Zutaten kann die Aktivität von Anti-Nährstoff-Faktoren reduzieren (aber nicht vollständig eliminieren), sowie eigenständig die Proteinqualität beeinflussen4. Zu den Verarbeitungsarten, die Einfluss auf die Proteinqualität haben können, zählen das Keimen (Einweichen von Samen bis zum Keimen), nasse oder feuchte Wärmebehandlung (Kochen, Dämpfen), trockene Wärmebehandlung (Dörren, Trocknen), Räuchern, Braten und Grillen, Sprühtrocknung, Extrusion, Bestrahlung und Fermentation.
Wie gut ein Protein letztendlich verdaut wird, hängt also von verschiedenen Faktoren, wie der Quelle, der Aminosäuren-Zusammensetzung, aber auch von der Zubereitung und der sonstigen Ernährung ab. Die Verdaulichkeit von Aminosäuren im Vergleich zur groben Proteinverdaulichkeit ist ähnlich, aber nicht identisch5. Die Verdaulichkeit der einzelnen Aminosäuren variiert ebenfalls. Jedoch ist die Proteinverdauung im Allgemeinen äußerst effizient, sodass nur wenige Prozent des Protein-Stickstoffs in der Nahrung in den Stuhl gelangen6.
Die Aminosäure-Anforderungen können je nach Altersgruppe und physiologischen Bedingungen variieren. Die Folgen einer unzureichenden Proteinzufuhr, die dem Bedarf an essentiellen Aminosäuren nicht gerecht wird, umfassen Wachstumsstörungen, erhöhte Infektanfälligkeit, Muskelschwäche und verminderte geistige Leistungsfähigkeit (von Retardation bis Apathie)7.
Eine genaue Einschätzung der Fähigkeit einer Proteinquelle, den Bedarf des Organismus an bestimmten Aminosäuren zu erfüllen, ermöglicht eine bessere Nutzung einer zunehmend knappen Ressource8.
Zur Bewertung der Proteinqualität stehen mehrere Messskalen und Techniken zur Verfügung. Zu den bekanntesten und anerkanntesten Methoden zählen u.a. die Biologische Wertigkeit, der Protein Digestibility Corrected Amino Acid Score (PDCAAS) und der neuere Digestible Indispensable Amino Acid Score (DIAAS). Aber auch die Protein Efficiency Ratio (PER) und die Net Protein Utilization (NPU) werden in einigen Quellen zur Bewertung der Qualität einer Proteinquelle herangezogen.
Inhalt zum Thema Proteinqualität
- Protein Efficiency Ratio (PER)
- Net Protein Utilization (NPU)
- Biologische Wertigkeit (BW)
- Protein Digestibility Corrected Amino Acid Score (PDCAAS)
- Vergleich: Biologische Wertigkeit (BW) vs. Protein digestibility-corrected amino acid score (PDCAAS)
- Digestible Indispensable Amino Acid Score (DIAAS)
- Wie Rankings zur Proteinqualität bewerten?
Protein Efficiency Ratio (PER)
Die Protein Efficiency Ratio (PER) oder auch Protein-Wirksamkeits-Koeffizient basiert auf der Gewichtszunahme eines Testobjekts, geteilt durch die Aufnahme eines bestimmten Nahrungsmittelproteins während der Testperiode.
Die Formel zur Berechnung der Protein Efficiency Ratio lautet:
PER = Gewichtszunahme (in g)/ Proteinaufnahme (in g)
Die Protein Efficiency Ratio (PER) bestimmt die Wirksamkeit eines Proteins durch die Messung eines wachsenden Tieres (i.d.R. Laborratten). Bei dieser Methode werden Ratten mit einem Testprotein gefüttert und anschließend wird die Gewichtszunahme in Gramm je Gramm verzehrtes Protein ermittelt. Der errechnete Wert wird dann mit einem Standardwert von 2,7 verglichen, was dem Standardwert von Caseinprotein entspricht.
Jeder Wert, der 2,7 übersteigt, gilt als eine hervorragende Proteinquelle. Lebensmittel, wie Eier, Whey Protein, Milch und Casein schneiden nach der PER mit der höchsten Proteinqualität ab9.
Allerdings stellt die PER ein Maß für das Wachstum bei Ratten und daher keine starke Korrelation zu den Wachstumsanforderungen des Menschen dar. Obwohl die PER eine relativ einfache und wirtschaftliche Methode zur Messung der Proteinqualität ist, sind die aus Tierversuchen abgeleiteten Daten nicht immer direkt auf den Menschen übertragbar. Die Aminosäure-Anforderungen des Menschen sind nicht die gleichen wie bei Ratten. Und auch bei Ratten können die Anforderungen zwischen Jungtieren und erwachsenen Tieren variieren.
Die PER war von 1991 bis vor Kurzem eine in den USA weit verbreitete Methode zur Bewertung der Qualität von Proteinen in Nahrungsmitteln. Die Lebensmittelindustrie in Kanada nutzt die PER derzeit als Standard für die Bewertung der Proteinqualität von Lebensmitteln10.
Net Protein Utilization (NPU)
Die Net Protein Utilization (NPU) oder Netto-Proteinverwertung beschreibt das Verhältnis von Aminosäuren, die in Proteine umgewandelt wurden, im Verhältnis zu den zugeführten Aminosäuren. Die Formel berechnet sich als Quotient aus der retinierten Stickstoffmenge und der Stickstoffaufnahme, multipliziert mit 100:
NPU = (retinierter Stickstoff)/(Stickstoff-Aufnahme) * 100
Der NPU kann Werte von 1 bis O einnehmen, wobei ein Wert von 1 eine 100%ige Ausnutzung von diätetischem Stickstoff als Protein anzeigt und einen Wert von 0 bedeutet, dass keinerlei enthaltene Stickstoffe in Protein umgewandelt wurden. Nach der NPU haben Eier, Whey Protein und Milch die höchste Proteinqualiät.
Biologische Wertigkeit (BW)
Beim Direktvergleich zwischen tierischem und pflanzlichem Protein kommt hierzulande häufig die sog. „Biologische Wertigkeit“ zur Sprache. Die Biologische Wertigkeit misst die Proteinqualität durch die Berechnung des Stickstoffs, der für die Gewebebildung verwendet wird (retinierter bzw. zurückgehaltener Stickstoff), geteilt durch den Stickstoff, der aus der Nahrung absorbiert, also aufgenommen wird. Dieses Produkt wird mit 100 multipliziert und als Prozentsatz des eingesetzten Stickstoffs ausgedrückt.
Die Formel für die Biologische Wertigkeit lautet11:
Biologische Wertigkeit = (retinierter Stickstoff)/(absorbierter Stickstoff) * 100
Vergleicht man die Formel zur Biologische Wertigkeit mit der Formel zur Net Protein Utilization (NPU), so stellt man fest, dass sich die Formeln ähneln. Beide Methoden messen den gleichen Parameter der Stickstoff-Retention. Der Unterschied liegt jedoch darin, dass die Biologische Wertigkeit aus dem absorbierten Stickstoff berechnet wird, während sich die NPU auf den aufgenommenen Stickstoff bezieht.
Die Biologische Wertigkeit liefert ein Maß dafür, wie effizient der Körper Nahrungsproteine in körpereigene Proteine umsetzen kann. Ein Lebensmittel mit hohem Wert korreliert mit einer hohen Versorgung an essentiellen Aminosäuren.
Als Referenzwert wurde damals willkürlich Vollei festgesetzt (Wert von 100 oder 1), da es zu der Zeit die Proteinquelle mit der höchsten bekannten biologischen Wertigkeit war. Nahrungsproteine, die im Körper besser verwertet werden können als Eiprotein, weisen eine biologische Wertigkeit über 100, Nahrungsproteine mit einer schlechteren Proteinverwertung als Ei, eine biologische Wertigkeit unter 100 auf.
Tierische Proteinquellen verfügen typischerweise über eine höhere biologische Wertigkeit, da sie den Körperproteinen in ihrer Aminosäuren-Zusammensetzung ähnlicher sind. Pflanzlichen Proteinquellen mangelt es häufig an einer oder mehreren essentiellen Aminosäuren, weshalb sie in diesem Ranking schlechter abschneiden. Beispielsweise kommt Molkeprotein nach der Biologischen Wertigkeit auf einen Wert von 104, Soja hingegen nur auf 7412.
Jedoch bleiben bei der Biologischen Wertigkeit mehrere Schlüsselfaktoren, die die Verdauung von Proteinen und die Wechselwirkung mit anderen Lebensmitteln vor der Absorption beeinflussen, unberücksichtigt. Zudem misst die biologische Wertigkeit die maximale potentielle Qualität eines Proteins und nicht seine Einschätzung auf Anforderungsniveau.13.
Protein Digestibility Corrected Amino Acid Score (PDCAAS)
Aufgrund dieser Mängel bei der Aussagekraft der Biologischen Wertigkeit wurde 1989 in einem gemeinsamen Positionspapier von der Food & Agriculture Organization (FAO) und World Health Organization (WHO) der sog. PDCAAS (Protein Digestibility Corrected Amino Acid Score) als bevorzugtes Verfahren zur Messung der Proteinqualität in der menschlichen Ernährung angenommen14.
Dieser „um die Verdaulichkeit korrigierte Aminosäureindex“ berücksichtigt neben dem Aminosäuregehalt auch die Verdaulichkeit und den Beitrag eines Lebensmittels an unentbehrlichen Aminosäuren entsprechend dem menschlichen Bedarf.
Zur Berechnung des PDCAAS wird zunächst der Gehalt jeder einzelnen essenziellen Aminosäure eines Nahrungsproteins mit dem Gehalt der entsprechenden Aminosäure in einem (für den menschlichen Bedarf) idealen Referenzprotein ins Verhältnis gesetzt. Heraus kommt der Aminosäureindex bzw. Amino Acid Score (AAS) oder Chemical Score (CS).
Der Amino Acid Score oder Aminosäureindex ist ein Weg, um vorauszusagen, wie effizient der Aminosäuregehalt in einem Nahrungsprotein die menschlichen Aminosäure-Bedürfnisse erfüllt. Dieses Konzept setzt voraus, dass die Gewebeproteinsynthese eingeschränkt ist, wenn nicht alle erforderlichen Aminosäuren zur gleichen Zeit und in geeigneten Mengen verfügbar sind.
Das Verfahren basiert auf einem Vergleich der Konzentration der ersten limitierenden essentiellen Aminosäure im Testprotein mit der Konzentration dieser Aminosäure in einem Referenzprotein:
AAS bzw. CS = [mg der limitierenden Aminosäure in 1 g Testprotein) / mg derselben Aminosäure in 1 g Referenzprotein]
Die Aminosäure mit dem geringsten AAS wird als die „limitierende Aminosäure“ bezeichnet. Das ist die Aminosäure in einem Protein, welche vom Aminosäurebedarf am weitesten abweicht. Sie ist deshalb „limitierend“, weil der Körper nur in der Menge Protein synthetisieren kann, wie es die mit der geringsten Konzentration auftretende Aminosäure zulässt.
Der aktuelle Konsens besteht darin, dass die Mindestanforderungen an Lysin, Methionin und Tryptophan – die häufigsten limitierenden Aminosäuren Proteinen geringerer Qualität – den Aminosäure-Index bestimmen und zu einem Plateau der Stickstoffretention führen15. Auf dem Plateau der Stickstoffbilanz würde jede weitere Erhöhung der Plasma-Aminosäuren eine erhöhte Oxidation und Eliminierung der überschüssigen Aminosäuren stimulieren, was bedeutet, dass die Proteinqualität oberhalb der Anforderungen keine Rolle spielt.
Es wird davon ausgegangen, dass dieser Wert den biologischen Wert voraussagt oder die erwartete Fähigkeit des absorbierten Testproteins, menschliche Aminosäureanforderungen zu erfüllen. Der AAS der limitierenden Aminosäure wird im zweiten Schritt mit der wahren (faecalen) Proteinverdaulichkeit multipliziert, also um die Verdaulichkeit korrigiert. Das Produkt ergibt den PDCAAS-Wert, von dem angenommen wird, dass er die Netto-Proteinausnutzung voraussagt.
Die Formel für den PDCAAS lautet wie folgt:
PDCAAS % = [mg der limitierenden Aminosäure in 1 g Testprotein) / mg derselben Aminosäure in 1 g Referenzprotein] * wahre (faecale) Verdaulichkeit
oder
PDCAAS% = AAS * wahre (faecale) Verdaulichkeit
Inhärent beim PDCAAS oder der Stickstoffbilanz ist, dass die Bereitstellung von Substrat für die Proteinsynthese und andere Wege durch die verfügbaren (verdauten und absorbierten) essentiellen Aminosäuren begrenzt ist. Somit wird die Proteinausnutzung aus der erwarteten Verdaulichkeit und der Aminosäure-Zusammensetzung des Proteins vorhergesagt. Diese zwei Eigenschaften des Proteins bestimmen die Fähigkeit eines Nahrungsproteins, minimale menschliche Aminosäure-Anforderungen für die Stickstoffbilanz und damit seine ernährungsphysiologische Qualität zu erfüllen.
Der PDCAAS basiert auf Studien, die zu der Zeit an einer begrenzten Anzahl von 2-jährigen Vorschulkindern durchgeführt wurden, welche sich von einer Mangelernährung erholten. Der Score bezieht sich daher auf die Aminosäureanfoderungen von Vorschulkindern und hatte zum Ziel, die besten Proteinquellen für unterernährte Kinder zu bewerten. Solange es auf diesem Gebiet keine ausreichende Datengrundlage zur Neubewertung des Aminosäurebedarfs ab einem Alter von zwei Jahren gibt, gilt der PDCAAS sowohl für Kinder, als auch für Erwachsene.16
Kurz gesagt basiert der PDCAAS auf der Kombination eines altersbedingten Aminosäure-Referenzmusters, das für menschliche Anforderungen repräsentativ ist, sowie Schätzungen der Verdaulichkeit des Proteins.
Ein PDCAAS von 1 ist der höchste erreichbare Wert. Der Wert 1 bedeutet, dass eine Einheit Protein nach der Verdauung 100% oder mehr der benötigten, essentiellen Aminosäuren liefert. Im Gegensatz zur Biologischen Wertigkeit schneidet beispielsweise Sojaprotein beim PDCAAS genauso gut ab wie Eier, Milch, Casein oder Whey Protein:
Vergleich: Biologische Wertigkeit (BW) vs. Protein digestibility-corrected amino acid score (PDCAAS)
Protein | BW | PDCAAS |
---|---|---|
Whey Protein | 104 | 1.00 |
Ei | 100 | 1.00 |
Milch | 91 | 1.00 |
Casein | 77 | 1.00 |
Sojaprotein | 74 | 1.00 |
Rindfleisch | 80 | 0.92 |
Schwarze Bohnen | k.A. | 0.75 |
Erdnüsse | k.A. | 0.52 |
Weizengluten | 64 | 0.25 |
Protein | BW | PDCAAS |
Quelle: Hoffman J.R., Falvo M.J. Protein-which is best. J. Sports Sci. Med. 2004;3:118–130. Table 1. Link
Der PDCAAS gilt als die bevorzugte, international anerkannte Methode zur Beurteilung der Proteinqualität in der menschlichen Ernährung17.
Doch obwohl der PDCAAS die derzeit akzeptierteste und am weitesten verbreitete Methode darstellt, so hat auch dieses Scoring seine Schwachstellen18 19. Die Hauptbeschränkungen des PDCAAS bestehen darin, dass Anti-Nährstoff-Faktoren, wie Phytinsäure, Lektine, Tannine und Trypsin-Inhibitoren, die die Absorption von Protein unter anderen Nährstoffen einschränken können, nicht berücksichtigt werden.
Solche Anti-Nährstoff-Faktoren sind u.a. in Proteinquellen, wie Sojabohnenmehl, Erbsen und Fava-Bohnen vorhanden und können eine verminderte Proteinhydrolyse (Hydrolyse = Auflösung in Wasser) und Aminosäureabsorption verursachen. Dieser nachteilige Effekt kann durch den Alterungsprozess verstärkt werden, da die Fähigkeit des Darms, sich an solche Anti-Nährstoffe anzupassen, im Alter nachlassen kann.
Auch werden PDCAAS-Werte höher als 1 abgerundet bzw. „gekappt“. Für Proteinmischungen in einer Mahlzeit wird der Score aus dem Aminosäuremuster der verdauten Proteinmischung berechnet. Weil vorhandenes Protein in der Nahrung zuerst durch die Verdaulichkeit begrenzt wird, die 100% nicht übersteigen kann, kann auch der PDCAAS keinen Wert über 100% haben. Bei der Berechnung der PDCAAS-Werte werden die Aminosäure-Score-Werte >100% „“abgeschnitten“.
Während die PDCAAS-Werte von Ernährungsformen, die auf Mischungen von Proteinen basieren, die Komplementierung von Proteinen widerspiegeln, die in einer oder mehreren essentiellen Aminosäuren mangelhaft sein könnten, ist dies auch die Grundlage für Kritik am PDCAAS-Ansatz für Proteine mit einem höheren Anteil an essentiellen Aminosäuren.
Das Kappen von PDCAAS-Werten und die Berechnung des Aminosäureindex, der nur auf der ersten limitierenden Aminosäure basiert, unterschätzt insbesondere die Fähigkeit eines hochwertigen Proteins, das Aminosäureprofil von minderwertigen Proteinen auszugleichen. Die Trunkierung von PDCAAS-Werten auf 100% kann nur für die begrenzte Anzahl an Situationen verteidigt werden, in denen das Protein die einzige Proteinquelle in der Ernährung darstellt. Zur Bewertung der ernährungsphysiologischen Bedeutung von Proteinen als Teil einer Mischkost sollte der „gekappte“ Wert nicht angewandt werden.20
In diesen Fällen ist eine detailliertere Bewertung des Beitrags des Proteins zur Aminosäure-Zusammensetzung der Mischkost erforderlich. Aus solch einer Auswertung scheint es, dass Milchproteine den Pflanzenproteinen in Getreide-basierten Ernährungsformen überlegen sind.
Desweiteren bestehen beim PDCAAS Einschränkungen hinsichtlich der Überschätzung bei älteren Patienten (wahrscheinlich im Bezug auf die Referenzwerte auf Basis von Vorschulkindern), sowie dem Einfluss der ilealen Verdaulichkeit (Ileum = Teil des Dünndarms). Es gibt starke Hinweise darauf, dass die ileale (und nicht die faecale) Verdaulichkeit der richtige Parameter für die Korrektur des Aminosäureindex ist. Die Verwendung der faecalen Verdaulichkeit überschätzt den Nährwert eines Proteins, da Aminosäure-Stickstoff, der in den Dickdarm eintritt, für die Proteinsynthese im Körper verloren geht und zumindest teilweise im Urin als Ammoniak ausgeschieden wird.
Zudem berücksichtigen die PDCAAS-Scores nicht die Menge der semi-essentiellen und nicht-essentiellen Aminosäuren. Diese Aminosäuren tragen jedoch ebenfalls zum diätischen Wert eines Proteins bei. Aufgrund dieser Einschränkungen hat die FAO den neueren DIAAS (Digestible Indispensable Amino Acid Score) als Ersatz für den PDCAAS empfohlen.
Digestible Indispensable Amino Acid Score (DIAAS)
Der Digestible Indispensable Amino Acid Score (DIAAS) verwendet eine andere Methode und wird als genaueres Maß der tatsächlichen Aufnahme der einzelnen Aminosäuren angesehen. Laut Food & Agriculture Organization (FAO) wird der DIAAS als Ersatz für den PDCAAS empfohlen21.
Allerdings ist davon auszugehen, dass der PDCAAS-Wert noch für einige Zeit von regulatorischen Behörden verwendet wird, da die DIAAS-Methode derzeit nur für wenige Proteine zur Verfügung steht und es Probleme hinsichtlich der Messmethoden für die Aufnahme der Proteine gibt.
Die Formel zur Berechnung des DIAAS lautet:
DIAAS % = 100 x [(mg der verdaulichen essentiellen Aminosäure in 1 g Nahrungsprotein) / (mg derselben essentiellen Aminosäure in 1 g Referenzprotein)]
Der DIAAS beurteilt die Proteinqualität auf der Grundlage der wahren, ilealen Verdaulichkeit essentieller Aminosäuren im Vergleich zur Gesamtverdaulichkeit (faecale Verdaulichkeit) von Protein, wie es beim PDCAAS der Fall ist. Die ileale Protein- oder Aminosäureverdaulichkeit, d.h. die Verdaulichkeit am terminalen Ileum im letzten Abschnitt des Dünndarms, stellt die genaueste Messung der Verdauung und Absorption von Aminosäuren aus der Nahrung dar.
Die Verdaulichkeit sollte dabei auf der wahren ilealen Verdaulichkeit jeder (essentiellen) Aminosäure basieren, die vorzugsweise am Menschen bestimmt wird. Sollte dies nicht möglich sein, können auch heranwachsende Schweine oder Ratten herangezogen werden. Die Bewertung der Proteinqualität wird dabei durch das niedrigste Verhältnis vom verdaulichen, essentiellen Aminosäuregehalt zu der entsprechenden essentiellen Aminosäure im Referenzmuster bestimmt.
Im Gegensatz zum PDCAAS ermöglicht der DIAAS ein Ranking über 1 (oder über 100%), wenn das Protein einen relativ hohen Gehalt an essentiellen Aminosäuren enthält, sodass ein Überschuss an Aminosäuren in hochwertigerer Proteinenquellen gewürdigt wird.
So erreicht beim DIAAS beispielsweise Molke einen höheren Wert als Soja22. Beim PDCAAS-Ranking schnitten beide Proteinquellen gleich gut – nämlich mit dem Höchstwert 1 – ab. Beim DIAAS werden Milchproteine grundsätzlich höherwertig eingestuft und erreichen Werte über 1 bzw. über 100%. Milchpulver hat bei Kindern im Alter von 6 Monaten bis 3 Jahren einen DIAAS-Wert von 12223.
Obwohl die FAO durchaus empfiehlt, den PDCAAS durch den DIAAS abzulösen, sind die derzeit verfügbaren Daten nicht ausreichend, um die Anwendung der wahren ilealen Aminosäure-Verdaulichkeit bei der Berechnung des DIAAS in der Praxis zu unterstützen24. Es sind dringend mehr Daten über die wahre ileale Aminosäure Verdaulichkeit von Nahrungsmitteln (beim Menschen und an Tier-Modellen) erforderlich.
Bis ausreichend Daten über die wahre ileale Aminosäure-Verdaulichkeit für menschliche Lebensmittel verfügbar sind, sollte die Proteinqualität von Nahrungsmitteln und Ernährungsformen mit dem DIAAS, jedoch anhand von Werten für die faecale Proteinverdaulichkeit, beurteilt werden.
Wie Rankings zur Proteinqualität bewerten?
Obwohl der PDCAAS und DIAAS zu den aktuellen Methoden zur Bewertung der Proteinqualität zählen, so haben auch diese Verfahren ihre Schwachstellen und eine durchaus unterschiedliche ernährungsphysiologische Signifikanz25.
So ist die Proteinverdaulichkeit nicht zwangsläufig auch ein valider Indikator für die Bioverfügbarkeit von Aminosäuren26. Die Bioverfügbarkeit lässt sich als der Anteil der gesamten Aminosäure definieren, die verdaut und in einer für die Proteinsynthese geeigneten Form absorbiert wird. So hängt die Bioverfügbarkeit von Aminosäuren nicht nur von der Verdaulichkeit der Nahrungsproteine ab, sondern auch von der anschließenden Absorption und der möglichen Ausnutzung der absorbierten Aminosäure für metabolische Prozesse27.
Experimentelle Methoden, die die Verdaulichkeit und/oder die Proteinverwertung bestimmen, werden zur Einschätzung der Bioverfügbarkeit herangezogen. Eine der Einschränkungen von Proteinrankings auf Grundlage der Verdaulichkeit und des Aminosäuregehalts – sei es beim PDCAAS oder DIAAS – ist, dass sie die Verwendung von Aminosäuren nach der Verdauung und Absorption nicht beurteilen.28
Methoden zur Bewertung der Proteinverdaulichkeit berücksichtigen nicht immer die endogenen Aminosäureverluste im Darm oder absorbierte Aminosäuren, die aufgrund von Wärmebehandlung und der Anwesenheit von Anti-Nährstoff-Faktoren nicht verfügbar sind. Darüber hinaus beziehen sich viele dieser Methoden auf Tiermodelle. Daher ist es notwendig, in vivo-Methoden zu entwickeln, die direkt an menschlichen Probanden angewendet werden können, um den Anteil an Aminosäuren zu identifizieren, der bioverfügbar oder metabolisch für die körpereigene Proteinsynthese nach der Verdauung und Absorption verfügbar ist.29
Die ileale Verdaulichkeit – wie sie beim DIAAS – verwendet wird – bietet zwar eine vernünftige Schätzung der Bioverfügbarkeit für viele Lebensmittel, berücksichtigt jedoch keine unvollständige Verdauung und Absorption von strukturell veränderten Aminosäuren oder eine kurzfristige Aminosäure-Ausnutzung für den Proteinstoffwechsel. Somit ist die ileale Verdaulichkeit von Aminosäuren nicht mit der Bioverfügbarkeit von Aminosäuren gleichzusetzen.
Aminosäuren, die über die für die Biosynthese benötigten hinausgehen, können im Gegensatz zu Fettsäuren und Glucose nicht eingelagert werden, noch werden sie ausgeschieden. Vielmehr werden überschüssige Aminosäuren als metabolischer Brennstoff „verheizt“30.
Die α-Aminogruppe wird entfernt und das resultierende Kohlenstoffgerüst in ein wichtiges Zwischenprodukt des Stoffwechsels umgewandelt. Die meisten Aminogruppen der überschüssigen Aminosäuren werden durch den Harnstoffzyklus in Harnstoff umgewandelt, während ihre Kohlenstoffgerüste in Acetyl-CoA, Acetoacetyl-CoA, Pyruvat oder eines der Zwischenprodukte des Citratzyklus umgewandelt werden. Daher können aus Aminosäuren Fettsäuren, Ketonkörper und Glucose gebildet werden.
Absorbierte Aminosäuren, die im Überschuss zu den Anforderungen vorliegen, werden weitgehend katabolisiert, sodass beim Verzehr überschüssiger Proteine minderwertiger Qualität zum Erreichen einer angemessenen Aminosäurezufuhr ein thermogener Aufwand entsteht31.
Zur Bestimmung der Bioverfügbarkeit von Aminosäuren findet u.a. die sog. IAAO-Methode Anwendung, bei der die Oxidation einer Indikatoraminosäure gemessen wird (indicator amino acid oxidation, IAAO). Die IAAO-Methode basiert auf dem Konzept, dass, wenn eine essentielle Aminosäure in nicht ausreichender Menge für die Proteinsynthese vorliegt, alle anderen essentiellen Aminosäuren (einschließlich der Indikatoraminosäure, d.h. meist jener Aminosäuren, deren Bedarf bestimmt werden soll), oxidiert werden.
Das liegt grundsätzlich daran, dass Aminosäuren nicht eingelagert werden können und daher zwischen der Eingliederung in Protein oder Oxidation aufgeteilt werden müssen. Je höher die Oxidation einer Aminosäure, desto geringer ist die metabolische Verfügbarkeit für die Proteinsynthese und umgekehrt.32
Mit zunehmender Aufnahme der limitierenden Aminosäure wird die IAAO abnehmen, was die zunehmende Einlagerung in Protein widerspiegelt. Sobald die Anforderungen an die limitierende Aminosäure erfüllt sind, wird es keine weitere Veränderung der Oxidation der Indikatoraminosäure geben.
Die IAAO-Methode berücksichtigt alle Verluste an diätetischen Aminosäuren während der Verdauung, Absorption und des Zellstoffwechsels. Sich bei der Bewertung der Proteinqualität lediglich auf den Proteingehalt oder die Verdaulichkeit zu beziehen, ist somit nicht ausreichend. Die Bioverfügbarkeit spielt eine entscheidende Rolle, findet jedoch der Vielzahl an Rankings und Bewertungsmethoden kaum Beachtung.
Sind Vegane Proteinquellen im Nachteil?
Aminosäureindex, Biologische Wertigkeit, PDCAAS, DIAAS – All diese Rankings verfügen über eine mehr oder weniger gute Aussagekraft zur Proteinqualität eines Nahrungsmittels. Die Qualität von tierischen und pflanzlichen Proteinquellen fallen z.T. recht unterschiedlich aus (z.B. bei Soja).
Dennoch schneiden tierische Proteine grundsätzlich „besser“ bzw. mit einem höheren Scoring-Wert ab. Doch wie deutet man solche Ergebnisse? Sind tierische Lebensmittel zwingend notwendig, um Proteine in hoher Qualität aufzunehmen?
Nein. Tierische Produkte sind hochwertige und wertvolle Proteinquellen – keine Frage. Allerdings muss man nicht zwangsweise Fleisch, Fisch, Eier, Käse, Quark und Milch zu sich nehmen, um seinen Proteinbedarf zu decken. Es gibt auch zahlreiche pflanzliche Proteinquellen, auf die man zurückgreifen kann.
Würde man sich ausschließlich von Getreide, Hülsenfrüchten, Gemüse oder Obst ernähren, würde höchstwahrscheinlich ein Mangel an essentiellen Aminosäuren auftreten, da die meisten Pflanzenproteine kein (für den menschlichen Bedarf) ausgewogenes Aminosäureprofil aufweisen.
Doch auch (scheinbar „minderwertigere“) pflanzlichen Proteinquellen können durch geeigneten Lebensmittel-Kombinationen „vervollständigt“ werden und damit ähnliche Vorteile wie tierische Proteinquellen bieten33.
Rankings zur Proteinqualität sind durchaus hilfreich und können Aufschluss über das Aminosäureprofil einer Proteinquelle geben und inwiefern dieses Profil den menschlichen Anforderungen entspricht. Dabei spielen Faktoren, wie der Gehalt an essentiellen Aminosäuren, die Verdaulichkeit der Nahrungsproteine und die Bioverfügbarkeit der Aminosäuren eine Rolle.
Jedoch kann kein Ranking exakte Angaben zum wahren Nährwert eines Nahrungsproteins machen, zumal dieser von Person zu Person individuell ausfällt (z.B. in Bezug auf die Verdaulichkeit). Die limitierende Aminosäure oder der Aminosäureindex führen – vor allem bei pflanzlichen Lebensmitteln – meistens zu einer „Abwertung“, aus der jedoch keine falschen Schlüsse gezogen werden sollten.
Pflanzliche Proteinquellen sind deshalb nicht „schlechter“ oder „unvollständig“. Bei der Vielzahl an Rankings zur Proteinqualität gilt es zudem zu beachten, unter welchen Bedingungen diese erstellt wurden.
Bedeutung in Entwicklungsländern
Viele Rankings zur Bewertung der Proteinqualität wurden unter Bedingungen niedriger Aufnahmemengen ermittelt. Die Messung unterhalb des Anforderungsniveaus wird bewusst getätigt, um bestehende Qualitätsunterschiede zu maximieren, da eine unzureichende Energieaufnahme auch die Effizienz der Proteinausnutzung verringert.
Vorrangiges Ziel solcher Rankings bzw. Berechnungen ist es, eine angemessene Proteinversorgung für Menschen mit einer unzureichenden Nahrungsversorgung sicherzustellen. Eine der größte Einschränkung von Proteinrankings ist also, dass sie das maximale Qualitätspotential messen, jedoch keine echte Schätzung der Qualität auf Anforderungsniveau erlauben. Die Bedeutung der Proteinqualität hängt stark davon ab, ob man an einer Mangelernährung leidet oder auf ausreichende Mengen und Arten von Lebensmitteln zurückgreifen kann.
Kleine Unterschiede in der Proteinqualität machen demnach bei Personen in der Dritten Welt, die kleine Mengen einer einzigen Proteinquelle schlechter Qualität und gleichzeitig unzureichend Gesamtkalorien zu sich nehmen, einen massiven Unterschied. In dem Fall können bereits geringe Auswertungen der Proteinqualität (z.B. durch Kombination mit anderen Lebensmitteln oder bestimmten Aminosäuren) einen großen Effekt auf die Verbesserung des Gesundheitszustandes und der Überlebenschancen haben.
Die WHO und die FAO beschäftigen sich seit Jahren intensiv mit den Themen Proteinversorgung und Proteinqualität34. Und das aus gutem Grund, schließlich liegt die empfohlene Proteinzufuhr in Entwicklungsländern deutlich unter den von der WHO empfohlenen Wert von 0,66 g je kg Körpergewicht für gesunde Erwachsene. Abgesehen von der Proteinmenge stehen die Proteinqualität einschließlich Bioverfügbarkeit und Verdaulichkeit aus verschiedenen Nahrungsmittelquellen derzeit auf der globalen Agenda.
In den Industriestaaten stellen Tierprodukte und Getreide die beiden wichtigsten Proteinquellen dar. In den Entwicklungsländern ist die Reihenfolge umgekehrt. In Ländern mit niedrigem Einkommen stammen nur 3 Prozent der gesamten Nahrungsenergie als Indikator für die Ernährungszusammensetzung aus Fleisch und Innereien, 11 Prozent werden aus Wurzeln und Knollen und 6 Prozent aus Hülsenfrüchten, Nüssen und Ölsaaten gewonnen. Der Rest der Nahrungsenergie stammt hauptsächlich aus getreidebasierten Grundnahrungsmitteln35.
Trotz einer Zunahme an Viehbeständen, nimmt der Konsum von Protein in Entwicklungsländern (mit Menschen, die ohnehin begrenzte Mengen an Protein konsumieren), kontinuierlich ab. Unterernährung, einschließlich der unzureichenden Proteinaufnahme, bleibt in Entwicklungsländern ein anhaltendes Problem. Und obwohl oder gerade weil die Ernährung in diesen Ländern hinsichtlich der Proteinmenge im Vergleich zu den Empfehlungen mangelhaft ist, rückt auch die Qualität des Proteins stark in den Fokus.
Bedeutung in Industrieländern
Hierzulande wird sich wohl niemand in einer solch prekären Versorgungssituation wie in den Dritte-Welt-Ländern befinden. Eine ausreichende Versorgung mit Nahrung, Energie und auch Proteinen dürfte daher nicht die größte Sorge sein.
Wer auf unterschiedliche Proteinquellen zurückgreift und ausreichend Kalorien aufnimmt, muss sich um die Proteinqualität i.d.R. keine Sorgen machen. Und auch wenn bestimmte Proteine – z.B. hinsichtlich der Bereitstellung von Aminosäuren bei Sportlern – gewisse Vorteile bieten, wird jeder Sportler, der große Mengen an Protein isst, für gewöhnlich reichlich von allem zuführen, was sein Organismus benötigt.
Sportler und insbesondere Kraftsportler und Bodybuilder neigen dazu, sich obsessiv mit der Thematik Proteinqualität auseinanderzusetzen. Und natürlich ist dieses Thema auch wichtiges Verkaufsargument diverser Supplement-Hersteller, Vertriebler und gesponsorter Athleten. Jedoch ist die Proteinqualität bei einer Zufuhr von ca. 2 g Protein am Tag je kg Körpergewicht aus gemischten, hochwertigen Quellen schlichtweg nicht mehr wichtig.
Eine Ausnahme stell z.B. die Diät dar, welche insbesondere Profi-Bodybuilder in regelmäßigen Abständen vor ihren Wettkämpfen durchlaufen. Wird die Kalorienzufuhr eingeschränkt, kann es je nach individuellen Voraussetzungen (u.a. Körperfettanteil, Zielsetzung, Dauer der Diät etc.) durchaus Sinn machen, die Proteinmenge hochzuschrauben und auf hochwertige Proteinquellen zu achten.36
Würde man trotz großer Auswahl an Lebensmitteln dennoch nur geringe Mengen einer einzigen Proteinquelle „schlechter“ Qualität zu sich nehmen, wäre die Proteinqualität ebenfalls von Bedeutung. Jedoch würde es sich in dem Fall um ein zweifelhaftes, selbstauferlegtes Ernährungsmuster handeln, welches keinesfalls mit der Mangel- und Unterernährung in vielen Teilen der Welt zu vergleichen wäre.
Veganer schränken ihre Lebensmittelauswahl insofern (freiwillig) ein, als das sie auf alle tierischen Produkte und somit auch tierische Proteinquellen verzichten. Das ist zwar ein durchaus grober Einschnitt, jedoch nicht zwangsläufig ein Grund zur Besorgnis was die Versorgung mit Proteinen angeht. Denn auch der Verzehr rein pflanzlicher Lebensmittel kann zu einer angemessenen Versorgung mit ausreichend Proteinen und allen essentiellen Aminosäuren beitragen.
Auch wenn die meisten pflanzliche Proteinquellen hinsichtlich der Proteinqualität im direkten Vergleich zu tierischen Quellen schlechter abschneiden, so sind sie deswegen nicht „minderwertiger“. Anstatt einzelne Proteinquellen isoliert betrachten und miteinander zu vergleichen, gilt es die Ernährung als Ganzes zu bewerten. Eine ausgewogene, vegane Kost wird sich nicht nur auf eine einzige Proteinquelle beschränken, sodass eine augenscheinlich „schlechtere“ Proteinqualität keine große Bedeutung mehr einnimmt.
Die Kombination mehrerer verschiedener pflanzlicher Proteinquellen bei ausreichender Gesamtkalorienzufuhr stellt auch bei einer veganer Ernährungsweise eine gute Versorgung sicher. Rankings wie der PDCAAs oder der neuere DIAAS können zwar durchaus zur Einschätzung der Qualität einer Proteinquelle herangezogen werden, sind in Anbetracht der hierzulande guten Versorgung mit Nahrungsmittel jedoch zweitrangig.
Zudem werden aus solchen Rankings (vor allem im Bezug auf vegane Ernährung) häufig falsche Schlüsse gezogen, die von einer pauschalen Abwertung pflanzlicher Proteinquellen bis hin zu einer Überbewertung bestimmter Nahrungsmittel (z.B. Soja) reichen.
Statt sich allzu intensiv mit Rankings zur Proteinqualität zu beschäftigen, sollten Veganer vor allem auf eine abwechslungsreiche und bedarfsorientierte Ernährung achten, um ausreichend Proteine und alle essentiellen Aminosäuren zu sich zu nehmen.
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